Marx & Ökologie: Einführungsseminar

#1 von Hans , 12.10.2020 18:56

Referent des Einführungsseminars zum Thema: Marx & Ökologie - Das Marxsche Kapital als Theorie des gesellschaftlichen Stoffwechsels
am 10.10.2020 war Ansgar Knolle-Grothusen.
Das Dokument mit den während des Seminars gelesenen Textauszügen ist hier angehängt.

Die Erkenntnisse, die das Seminar aus seiner Sicht vermitteln sollte, hat er im Folgenden zusammengefaßt.

Lernziel des Seminars am 10.10.2020

Der Zweck des ‚Kapital‘ ist es, das ökonomische Bewegungsgesetz kapitalistischer
Gesellschaften zu enthüllen. Es geht dabei nach Marx um ‚Naturgesetze‘ der kapitalistischen
Produktion, um ‚mit eherner Notwendigkeit wirkende und sich entwickelnde Tendenzen‘.
Diese Gesetze deckt Marx auf durch eine sorgfältige Analyse der gesellschaftlichen Formen,
in denen sich die Reproduktion menschlichen Lebens in kapitalistischen Gesellschaften
vollzieht. Diesen Reproduktionsprozess versteht Marx umfassend: Zunächst von der
Naturbasis her als arbeitsvermittelten Stoffwechselprozess der Menschen mit ihrer Umwelt,
durch den sich die biologische Reproduktion der gesellschaftlichen Individuen und ihrer
natürlichen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen vollzieht. Er ist aber zugleich
Reproduktionsprozess der gesellschaftlichen Strukturen und Formen, der Handlungsformen,
der gesellschaftlichen Rollen, in die die Menschen durch die ökonomischen Gesetze
hineingezwungen werden, der Klassenstruktur, des Verhältnisses der Individuen zur
Gesellschaft und der Ideologie- und Denkformen, in denen die Menschen ihre Verhältnisse
reflektieren. Insofern ist Das Kapital kein Werk, das nur die politische Ökonomie zu seinem
Inhalt hätte, sondern es sprengt von vornherein die Fachborniertheit der bürgerlichen
Disziplinen und liefert den Schlüssel zum Verständnis der Entwicklung praktisch aller
Lebensbereiche in kapitalistischen Gesellschaften. Das Zentrum, von dem sich dies alles
auffächert, ist allerdings die materielle Reproduktion, d.h. die Untersuchung der
gesellschaftlichen Formen, in denen sich der Stoffwechsel der Menschen mit der sie
umgebenden Natur in kapitalistischen Gesellschaften vollzieht.
Das heißt aber: Wir haben es hier immer mit einer Verschränkung und Wechselwirkung
stofflicher und gesellschaftlicher Aspekte zu tun. Die genaue Untersuchung dieser
Verschränkungen und Wechselwirkungen, ihrer Auswirkungen auf Natur und Gesellschaft,
durchzieht Das Kapital vom Beginn bis zum Ende, vom Doppelcharakter der Ware bis hin zur
Untersuchung der ideologischen Formen, in denen sich den bürgerlichen Ökonomen die
Revenuen und ihre Quellen als merkwürdiges Mischmasch natürlicher und gesellschaftlicher
Bestimmungen darstellen. Wenn man Kohei Saitos Formel „Das Kapital als Theorie des
Stoffwechsels“ als verkürzten Ausdruck dafür versteht, dass es im ‚Kapital‘ um die
kapitalistische Organisationsform des Stoffwechsels der Menschen mit der sie umgebenden
Natur geht und um die Auswirkungen, die diese Organisationsform sowohl für die
umgebende Natur, als auch für die Menschen hat, dann kann man dem zustimmen.


Dateianlage:
Seminar_1_Texte.pdf
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RE: Marx & Ökologie: Einführungsseminar

#2 von Hans , 21.10.2020 13:27

Argumente aus der Diskussion am 10.10.2020

Die Diskussion wurde parallel zur Lektüre des von Ansgar zur Verfügung gestellten Readers geführt und ist im Zusammenhang mit diesem zu lesen. Viele der angesprochenen Themen wurden nur angerissen und nicht ausführlich diskutiert. Einiges wird sicherlich in den folgenden Seminaren aufgegriffen werden.

Begriff der gesellschaftlichen Naturgesetze bei Marx
Gesellschaftliche Gesetze setzen sich im Handeln der Menschen um. Gibt es Unterschiede zwischen Naturgesetzen in der Natur und Naturgesetzen in der Gesellschaft? Dies wird auf einer der folgenden Veranstaltungen näher behandelt.
Hinweis auf das Buch von Christian Stache: Kapitalismus und Naturzerstörung.

Was sind Produktivkräfte?
Kann Arbeit dazu gezählt werden? Es gibt die Produktivkraft der Arbeit, aber „Arbeit ist keine Produktivkraft der Arbeit“.
Die materiellen Voraussetzungen für die Produktion stellen die materiellen Produktivkräfte dar. Kapital ist keine Produktivkraft.
Auch dieses Thema wird in einer der folgenden Veranstaltungen vertieft.

„Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist …“ MEW 13, S. 9
Gesellschaftsformation: Produktivkräfte + Produktionsverhältnisse + Überbau
Produktionsweise: Produktivkräfte + Produktionsverhältnisse
Wie behindert eine Gesellschaftsformation die Entwicklung der Produktivkräfte? Im Feudalismus z.B. konnten weiterentwickelte Produktionsmethoden in den Städten wegen des Zunftzwangs und anderer Beschränkungen nicht eingesetzt werden.
Gibt es heute Produktivkräfte, denen der Kapitalismus Fesseln anlegt? Produktivkräfte werden heute zu Destruktivkräften. Übergangspunkt zu ökologischen Fragen. Fesseln werden im täglichen Klassenkampf im Arbeitsprozess deutlich. Einschränkungen für die Verwendung von Software durch die Kapitalverwertung: Erhebung von Lizenzen und Gebühren.
Der Bruchpunkt der Produktivkräfte kann nur im Rückblick erkannt werden. Die Anpassungsfähigkeit des Kapitalismus wurde unterschätzt und verfrüht revolutionäre Situationen gesehen. Marx sah die durch Information gesteuerte Gesellschaft voraus (Maschinenfragment).
Nicht nur vergangene Arbeit, sondern auch die zukünftige Arbeit muss betrachtet werden.
Die qualitative und die quantitative Seite der Produktivkräfte sind zu unterscheiden. Der Kapitalismus behindert die qualitative Entwicklung und quantitative Ausbreitung von fortgeschrittenen Produktivkräften in Bereichen und Gebieten, in denen sie eingesetzt werden könnten.

Erklärung zum Satz im Veranstaltungsreader S. 4: „Die ganze Geschichte der Produktionsverhältnisse erscheint daher z.B. bei Carey als eine durch die Regierungen böswillig veranlaßte Verfälschung.“
Carey vertrat die Position, dass der Staat die Produktionsverhältnisse manipuliert und dadurch die mit dem Kapitalismus verbundenen negativen Folgen entstehen.
Smith und Ricardo: Da alle Produktionsmittel Kapital sind, ist nach ihnen jede Produktionsweise Kapitalismus.

Zu diskutieren: Bestimmte Seiten dialektischer Widersprüche bleiben über deren partielle Aufhebung hinweg bestehen. Der Mensch-Natur Widerspruch, der durch menschliche Aneignung der Natur seine partielle Aufhebung und Bewegungsform erhält, besteht über alle Gesellschaftsformationen hinweg.

Spezifische Rechtsverhältnisse und Regierungsformen sind zu den jeweiligen Produktionsformen organisch zusammengehörig.

Begriff des „Stoffwechsels“.
Verschiedene Ebenen des Stoffwechsels: in der Natur, bei Lebewesen (Tieren, Menschen), Stoffwechsel mit der Natur, gesellschaftlicher Stoffwechsel, biologischer Stoffwechsel als spezifische Ebene. Das Naturverhältnis ist ewig, nicht das Kapitalverhältnis. Analogien zwischen biologischem und gesellschaftlichem Stoffwechsel.

Die Gesellschaft ist kein fester Kristall, sondern ein veränderlicher Organismus.

Man kann nicht beliebig abstrahieren, sondern braucht verständige Abstraktionen. Das schwierige ist, das richtige Abstrakte zu finden.

In seinem neuen Buch charakterisiert Michael Tomasello den Menschen als hyperkooperatives Wesen. Daraus resultiert zunehmende Vergesellschaftung.

Verhältnis Theorie-Praxis im Verständnis der Partei „Die Linke“.
„Die Linke“ hätte in der Corona-Situation erste eine Analyse anhand der Marxschen Methode durchführen müssen, um eine eigene Position zu entwickeln, anstatt dem Vorgehen der anderen Parteien einfach zuzustimmen. Das Ergebnis hätte sein müssen, diesen nicht zuzustimmen.
Zweifel werden geäußert, ob dazu Marx aufwendige, komplizierte Methode nötig sei. Problem der öffentlichen Vermittlung derartiger Analyseprozesse.

Wozu ist das Verständnis der Methode nötig, um die Entwicklung des Stoffwechselprozesses bei Marx zu verstehen? Der Stoffwechsel steht hier nicht im Mittelpunkt. Aber es geht schon um die Frage, wie kreislaufförmige Stoffwechselprozesse mit vielen Wechselwirkungen überhaupt systematisch dargestellt werden können.

Die Erkenntnis, der Erkenntnisprozess verändert an sich nichts, sondern ist die Voraussetzung für Veränderungen.
Die Methode ist die Beschreibung der dialektischen Analysemethode. Abstraktion und von den aufgefundenen Widersprüchen bestimmte Konkretion als wissenschaftliche Methode, anders als die Methode die in der Schule gelehrt wird

Darstellungsmethode: Wie ist das Buch aufgebaut?
Forschungsmethode: Wie wird das darzustellende Ergebnis herausgefunden?

Widerspruch von Gebrauchswert und Wert der Ware. Ist Ausdruck des Widerspruchs von an die stofflichen Eigenschaften der Ware gebundener Nützlichkeit und dem Wert als rein gesellschaftlichem Verhältnis „in das kein Atom Naturstoff eingeht“, durch das bestimmt wird, in welchen quantitativen Verhältnissen verschiedenartige Waren gleichwertig sind und daher gegeneinander ausgetauscht werden können.
Müssen der Produktionsprozess und die Verfügbarkeit von überschüssiger Ware vorausgesetzt werden?

Unterschied von individueller Konsumtion zur und produktiver Konsumtion.
Die Lösung des ökologischen Widerspruchs liegt nicht in der Änderung des individuellen Konsumverhaltens, da der wesentliche Ressourcenverbrauch in der Produktion stattfindet. Nicht der Konsum bestimmt was produziert wird, sondern umgekehrt. Wechselwirkung von produktiver und individueller Konsumtion, von produktiven Möglichkeiten und gesellschaftlichen Bedürfnissen!

Ist Nachhaltigkeit im Kapitalismus möglich? Problem der Ökologie ist heute nicht, dass wir zu viel wegnehmen (Ressourcenverbrauch), sondern zu viel abgeben (emittieren, CO2 Emissionen).
Kapitalismus ist an Wachstum gekoppelt und kann nicht auf Wachstum verzichten. Es muss mehr Wert geschaffen werden, durch Fortschreiten der Produktivkräfte sinkt der Arbeitsinhalt und damit der Wert der Produkte. Um mehr an Wert zu erzeugen, müssen daher mehr Produkte hergestellt werden. Daher ist eine Lösung des Nachhaltigkeitsproblems im Kapitalismus prinzipiell nicht möglich.
Nicht nur quantitatives Wachstum, sondern auch qualitatives (neue Technologien) dadurch Verbrauch von immer neuen Arten von Naturstoffen.
Wären bessere, langlebigere Produkte statt mehr Produkte die Lösung? Das widerspricht der kapitalistischen Wachstums- und Verwertungslogik.

Begriff der Versachlichung. Versachlichung setzt Produktion von Sachen voraus.
Digitalisierung der Schulen führt zur Ersetzung der lebendigen Lehrkraft, dies ist eine Form von Versachlichung.
Der Begriff des Fetischismus ist geeigneter als der Begriff der Versachlichung.

Zum Verständnis der Bemerkung von Saito: „… Form der Arbeit im Kapitalismus nur einseitig vermittelt…“.
Arbeit vermittelt zwischen Mensch und Natur. Im Kapitalismus ist es nicht mehr die Arbeit, die die Vermittlung herstellt. In der Vermittlung gibt es keine Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur.
Gegenposition (von Ansgar): Durch die Arbeit wird in allen denkbaren Gesellschaftsformationen die Vermittlung von Mensch und Natur hergestellt, auch im Kapitalismus. Die spezifische gesellschaftliche Form der Arbeit im Kapitalismus, die als Werteigenschaft des Arbeitsprodukts in Erscheinung tritt und in der Verwertung des Werts eine Eigenbewegung gewinnt, als Kapital zum automatischen Subjekt der kapitalistischen Produktionsweise wird, führt aber dazu, dass diese Produktionsweise rücksichtslos sein muss gegenüber den Wirkungen auf ihre eigene Naturbasis, gegenüber dem Arbeiter und der Erde. Wird in den weiteren Seminaren im Einzelnen behandelt.

Kritik an Form und Durchführung der Veranstaltung.
Es wird mehr Struktur gefordert, wie in Seminaren an der Uni. Mehr Ausschnitte aus Saito, mehr auf die Ökologie und den heutigen Stand von Problemen und Diskussion konzentrieren. Aufgaben zur Vorbereitung an Teilnehmer vergeben?


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zuletzt bearbeitet 21.10.2020 | Top

   

Das Ökologie und Umweltverständnis bei Marx und Engels und seine Auswirkung auf eine moderne Kapitalismuskritik
Axel P Anmerkung zur " Theorie des Stoffwechsels".

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